Alexander Dugin, der in der Presse auch als "Putins Gehirn" bezeichnet wurde, obwohl er keine offizielle Position im Kreml bekleidet, hat ein neues Buch veröffentlicht, und es ist ein Fiebertraum von einem Werk. Gewidmet ist es, wie man schon aus dem Titel "The Trump Revolution" entnehmen kann, dem US-Präsidenten.
Alexander Dugin ist ein rechtsextremer russischer politischer Autor, der seit den späten 1980er Jahren in der russischen Politik aktiv und Mitbegründer der National-Bolschewistischen Partei ist. Die Flagge der Partei zeigt in einem weißen Kreis auf rotem Grund, da wo bei den Nationalsozialisten das Hakenkreuz prangen würde, Hammer und Sichel. Dugin verließ die Partei später wieder und fokussierte sich stattdessen auf die von ihm bis heute vertretene Idee des Eurasianismus.
Dugins bekanntestes Werk "Foundations of Geopolitics" forderte schon 1997 eine Rückkehr zu einem russischen Imperialismus und eine russische Einflusszone von "Lissabon bis Wladiwostok". Die Idee einer Großraumordnung im Sinne Carl Schmitts, in der Großmächte einen Führungsanspruch haben, einfach, weil sie ihn sich qua Macht nehmen können, vertritt er auch in seinem neuen Buch.
Der New Yorker hat Alexander Dugin vor ein paar Wochen einen ausführlichen Bericht gewidmet, mit dem Schwerpunkt auf dessen Rolle in Russlands Überfall auf die Ukraine. Und auch in seinem neuen Buch kann Dugin die Seitenhiebe auf die Ukraine nicht lassen. So nennt er an einer Stelle in Anspielung auf Donald Trumps Gerede von Kanada als "51. Staat der USA" die Ukraine "unser[en] 51. Staat, wenn man so will". Zwar wäre nicht bekannt, dass Dugin außer einer offiziellen Beileidsbekundung zum Tod seiner Tochter zu Putin persönlichen Kontakt hätte, aber die Ideen sind in Putins Umfeld eindeutig angekommen. So schreibt der New Yorker, dass heutige Reden Putins direkt aus der Feder Dugins kommen könnten.
Schon im Vorwort geht es wild zu
Aber von vorne. Das neue Buch ist eine Sammlung von Aufsätzen und Interviews die 2024/25 entstanden und somit zum Teil noch in die Zeit vor Trumps Wahlsieg fallen, zum Teil aber auch danach entstanden sind. Es ist versehen mit einem Vorwort des deutschen Autors Constantin von Hoffmeister, Autor von "Esoteric Trumpism", welches ebenso wie Dugins Werk im Arktos-Verlag erschienen ist. (Dazu später mehr.)
Schon im Vorwort geht es wild zu, wenn von Hoffmeister Trump als "politischen Zauberer, die orakelnden Tweets als enochische1 heilige Schrift, den MAGA-Hut als blutrote Ritualkrone" bezeichnet.2 Der Fiebertraum von einem Buch bleibt sich aber auch in einem späteren Artikel treu, wenn Dugin eine Debatte zwischen Biden und Trump im Stile von "Beavis and Butt-Head" schreibt, der MTV-Show über zwei idiotische Heavy-Metal-Fans, die sich primär gegenseitig beleidigen und auch sonst ziemlich vertrottelt sind.

Der erste Teil dreht sich um etwas, das Alexander Dugin als "decoupling" (Trennung, Entflechtung) bezeichnet. Dugin sieht eine Entflechtung der gegenseitigen politischen und ökonomischen Abhängigkeiten zwischen "dem reichen Norden" und "dem Rest" sowie einen Bedeutungsverlust internationaler Institutionen, wie der WTO, der WHO, der Weltbank und so weiter, die er auf den Einfluss Trumps zurückführt und ausdrücklich begrüßt. Für Dugin geht diese Entflechtung aber noch tiefer. Sie sei die Ankündigung einer von ihm angestrebten multipolaren Weltordnung, bei der das westliche Modell, das er mit Menschenrechten, Liberalismus und Globalisierung gleichsetzt (er spricht natürlich in gewohnter rechtsradikaler Diktion von Globalismus), als unhinterfragtes Vorbild abgelöst werde.
Die multipolare Weltordnung, die Dugin vorschwebt, hat also nicht nur verschiedene Pole im Sinne von Machtzentren, diese sollten darüber hinaus ihre eigenen traditionellen Herrschaftssysteme und Gesellschaftsformen bewahren und sich nicht am westlichen Modell orientieren. Die Pole sind für Dugin aber mehr als Nationalstaaten, es müssten Staaten sein, die ihre eigene Zivilisation prägen, zum Beispiel im Sinne einer eigenen "indischen Kultur und Zivilisation". Es verwundert nicht, dass laut Dugin die Ukraine keine solche eigene Zivilisation besitzt und deshalb auch keiner Souveränität bedarf.
Alexander Dugin lässt uns in einem eigenen Aufsatz wissen, dass er Putin als den Architekten dieser neuen Ordnung ansieht, die auf "wahrer und nicht nur oberflächlicher Demokratie" fußt. Putin als den eigentlich wahren Demokraten anzusehen ist dabei genauso ideologisch verblendet wie seinerzeit Carl Schmitt, der 1934 in der Deutschen Juristen-Zeitung davon schrieb, dass "der Führer" das Recht schützen würde, indem er sich zum obersten Richter und Gesetzgeber aufschwingt.
Die drei Säulen des Trumpismus
Im zweiten Teil, der sich dann explizit Donald Trump und dessen Umfeld widmet, fabuliert Dugin von einem Dritten Weltkrieg, den Joe Biden anzetteln könnte, nur um die Wahl nicht zu verlieren, ein Szenario, das er für "nicht unwahrscheinlich" hielt und selbstverständlich darf die Erwähnung von "Soros ultra-globalistischen Strukturen" nicht fehlen, die angeblich hinter Biden in Form eines Deep State stecken.
Besonders angetan hat es Dugin, dass JD Vance sich als "Postliberaler" bezeichnet, worin Dugin einen "totalen Bruch mit der linksliberalen Ordnung, die die USA über Jahrzehnte beherrschte" erkennen will. Die drei Säulen des Trumpismus, die Dugin ausgemacht hat, sind die Ablehnung der Globalisierung ("Globalismus"), des Linksliberalismus und einer "woke culture", die er mit "Genderideologie", "Critical Race Theory", "Massenmigration" und "Postmodernismus" beschreibt. All dies soll zu einer "Rehabilitierung der Weißen Zivilisation" führen.
Trumps geopolitische Manöver liest Alexander Dugin so, dass es dem US-Präsidenten um eine gegen China als wichtigstem Rivalen gerichtete Politik gehe und alles andere, insbesondere Russland und die Ukraine, in Trumps Denken keine große Rolle spiele, es sich in seinen Augen dabei um einen Regionalkonflikt handele. Natürlich spricht Dugin weiterhin nicht von Krieg, geschweige denn Angriffskrieg, sondern von einer "militärischen Spezialoperation". Eigentlich, so Dugin, hätten die Amerikaner durch die Wahl Donald Trumps gezeigt, dass sie "jemanden wie Putin" an der Macht haben wollten.
In diesem Aufsatz wird es besonders interessant, denn er bezeichnet JD Vance als einen "Ideologen der Konservativen Revolution" wobei der Begriff "Konservative Revolution" auch im englischen Original großgeschrieben und kursiv gesetzt ist. Hier bezieht sich Dugin also explizit auf die sogenannte "Konservative Revolution" der Weimarer Republik, einen Komplex aus Autoren und Intellektuellen, die Demokratie- und Republikfeinde waren und erst ahistorisch nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt als eine solche Gruppe zusammengefasst wurden.
Die "Konservative Revolution" stellt auch einen der Bezugspunkte der Identitären Bewegung und der Neuen Rechten im Vorfeld der AfD dar, der bereits mehrfach erwähnte Carl Schmitt wird dieser Gruppe zugerechnet. Und hier wird der zuvor erwähnte Arktos-Verlag aus London nochmals interessant. Dort werden nämlich sowohl Autoren der "Konservativen Revolution" der 1920er und 1930er Jahre in englischer Übersetzung verlegt, wie Oswald Spengler oder Edgar Julius Jung, als auch Autoren der Neuen Rechten wie Alain de Benoist oder Guillaume Faye, als auch der Identitären Bewegung wie Markus Willinger. Natürlich darf auch Julius Evola nicht fehlen, der "faschistische Guru", wie Umberto Eco über ihn urteilte.
Der Arktos-Verlag veröffentlicht seit 2009 in englischer Sprache und wird vom Historiker Mark Sedgwick als rechtsradikaler Verlag eingeschätzt. Er hilft dabei, rechtsradikales Gedankengut aus verschiedenen europäischen Ländern über die Lingua Franca Englisch einem internationalen Publikum zugänglich zu machen und zu dessen Verbreitung über Sprach- und Ländergrenzen hinweg beizutragen.
Wenn es nach Dugin geht, führt die Trump-Revolution dazu, dass die von ihm ersehnte multipolare Weltordnung sich durchsetzen wird und Europa an Bedeutung verliert, ganz im Sinne einer eurasischen Ideologie, in der Russland die vorherrschende Großmacht in Europa wird. Auch hofft Dugin auf ein postliberales Moment, welches das Ende des Liberalismus in den USA einleitet. Ich hoffe, dass er unrecht behalten wird.

1 "Enochisch" ist eine magische Geheimsprache die John Dee und Edward Kelley im späten 16. Jahrhundert in England von Engeln erhalten haben wollen. ↩︎
2 Alle Zitate sind meine Übersetzung aus dem englischen Originaltext. ↩︎
9 Kommentare
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Kommentare
Petra Pausch am Permanenter Link
Interessanter Fakt (für mich jedenfalls): Bisher hat man/habe ich "Revolution" eher als etwas Vorwärtsgewandtes begriffen; als etwas, dass eine Gesellschaft positiv verändert.
Das bedeutet also auch, dass Rückschritt als revolutionär bezeichnet werden kann.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dann bin ich mal gespannt, wie China reagiert, wenn man dort der alten Karten des russischen Reiches gewahr wird, als zu Russland Teile des heutigen, chinesischen Territoriums zählten.
Wann wird dieser territoriale Irrsinn enden und man kehrt wieder zu einer regelbasierten Weltordnung zurück? Es muss doch längsten auch dem Letzten klar sein, dass Konflikte, Kämpfe, Kriege nur Schäden und verbrannte Erde produzieren, die repariert werden müssen. Wie erreichen wir Wähler in demokratischen Ländern, das sie, die "einfachen Leute" begreifen, dass sie immer die Leidtragenden sein werden...?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wie wahr wie wahr Herr Kammermeier, die Dummheit verbreitet sich wie eine Seuche weltweit immer mehr, anstatt das man alles tut diesen wunderschönen Planeten, welcher vermutlich der einzige in unserer Galaxie ist der
Sollte dies nicht in absehbarer Zeit in die Köpfe der Menschheit gelangen, sehe ich schwarz
für eine Zukunft des blauen Planeten.
Roland Fakler am Permanenter Link
Das beste, was Europa seit der Antike hervorgebracht hat, war die Aufwertung des Individuums, die Sicherung seiner Rechte und die Verhinderung von Machtmissbrauch in einer vernünftig legitimierten Demokratie.
Emil Escher am Permanenter Link
Ist das eine "politische Analyse"? Oder ein "politisches Potpourri"?
Petra Pausch am Permanenter Link
Oh entschuldigen Sie bitte vielmals, dass ich zugegeben habe, dass ich etwas Neues gelernt habe bzw. neu bedacht habe und das hier zum Ausdruck gebracht habe.
Tim Mangold am Permanenter Link
Es gibt nichts zu entschuldigen, Sie haben ja nichts falsch gemacht.
Tim Mangold am Permanenter Link
Wo konkret sehen Sie denn das Problem an dem Text?
Emil Escher am Permanenter Link
Finden Sie den Text von Sebastian Schnelle analytisch? Falls ja: wo denn? Was haben Sie daraus gelernt?